14. Juli 2025

Nachbericht zum CERC-Salon vom 27. Juni 2025 Nachbericht zum CECR-Salon: Europa und die USA 2025

„We have an ocean in between some problems“ – Epistemischer Graben: Europa und die USA 2025

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Am neuen Veranstaltungsort P26 der Universität Bonn, einem interdisziplinären Zentrum für Wissenschaft, Kultur und Austausch, fand am 27. Juni 2025 ein Gespräch in der Veranstaltungsreihe CERC-Salon unter dem Titel „We have an ocean in between some problems“ – Epistemischer Graben: Europa und die USA 2025 statt. Der Salon widmete sich dem aktuellen transatlantischen Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.

Zu Gast war aus den USA Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford), Distinguished Professor Emeritus am CERC, der von Peter Geiss (Bonn) zur Wahrnehmung der transatlantischen Beziehungen aus amerikanischer Perspektive befragt wurde. Spätestens seit der zweiten Präsidentschaft Trumps haben die USA zentrale Allianzen und Wertvorstellungen aufgekündigt und nehmen unter dem Motto „America first“ eine Spaltung des Westens mindestens in Kauf. Die amerikanische Ukraine-Politik, die Annäherung an Putins Russland sowie die aggressiv protektionistische Zoll- und Handelspolitik sind Beispiele für Provokationen, die die Europäer*innen vor große Herausforderungen stellen.

Im Gespräch diskutierten Gumbrecht und Geiss, ob sich aktuell tatsächlich zwischen den USA und Europa ein epistemischer Graben auftut, der die zukünftige Zusammenarbeit erschwert. Gumbrecht schätzte die Entwicklungen weniger dramatisch ein als europäische Beobachter*innen, auch vor dem Hintergrund, dass die Herausbildung polarisierter Lager, die sich zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen, aktuell in allen westlichen Gesellschaften, auch in Europa, zu beobachten ist.

Im Gespräch bezogen sich die beiden Diskutanten auf das Beispiel des US-amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance, Autor von Hillbilly Elegy (2016) ebenso wie Verfasser der europakritischen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025. Gumbrecht ordnete die Biographie von Vance vor dem Hintergrund von dessen akademischer Ausbildung, seinen Kontakten zu Peter Thiel und des Umfelds im Sillicon Valley ein. Davon ausgehend wurden konkrete Fragen zum Trumpismus und der MAGA-Bewegung in den USA ebenso wie allgemeinere Fragen zur Zukunft der liberalen Demokratie und zum Umgang mit Meinungsfreiheit in westlichen Gesellschaften diskutiert. Insbesondere zu den letzten beiden Punkten gab es in der abschließenden Diskussion mit dem Publikum große Meinungsunterschiede.

Es wurde rasch deutlich, dass Gumbrecht, als US-amerikanischer Staatsbürger, der seit über 30 Jahren in Stanford lebt, im Unterschied zu vielen Diskutanten im Raum eine sehr amerikanische Sicht auf Europa vertritt. Er machte deutlich, dass in den USA die EU bereits als gescheitertes Projekt wahrgenommen werde und in der politischen Entscheidungsfindung kaum eine nennenswerte Rolle spiele. Im Hinblick auf die Entwicklung der Demokratie gab Gumbrecht zu bedenken, dass die US-amerikanischen Verhältnisse eventuell eine Vorwegnahme zukünftiger Entwicklungen in Europa sein könnten. Ihn beunruhigte insbesondere die Missachtung der Gewaltenteilung durch die aktuelle Regierung Trumps. Die Gewaltenteilung betrachtete er als eine der wichtigsten Errungenschaften der westlichen Demokratien seit der Aufklärung, deren Zeitalter im 21. Jahrhundert eventuell zu Ende gehe.

Es entwickelte sich eine lebhafte und kontroverse Diskussion, insbesondere um die Fragen der geopolitischen Bedeutung der EU, die Zukunft der westlichen Demokratien und die Einschätzung der Meinungsfreiheit. Dabei wurden Argumente zur wirtschaftlichen Bedeutung Europas ebenso unterstrichen wie die Notwendigkeit der Verteidigung der westlichen Werte. Gumbrechts moderate Einschätzung der Wertekonflikte erfuhr starken Widerspruch, u.a. im Hinblick auf die aktuelle Ukrainepolitik und Trumps Sympathien für Putin. Gumbrecht verteidigte dabei seine Auffassung, dass die EU aus der Polarisierung in den USA viel lernen könne, da sie Entwicklungen nicht zwangsläufig eine Krise bedeuteten, sondern der Dissens das Herz jeder lebendigen Demokratie sei. 

Alle Beteiligten haben diesen CERC-Salon als einen wichtigen Austausch empfunden, der deutlich machte, wie notwendig Perspektivwechsel sind, um den aktuellen Herausforderungen angemessen begegnen zu können. Es wurde vielfach der Wunsch nach einer Fortsetzung geäußert, die einzelne Aspekte des Themas vertiefen könnte. Gern nehmen wir diese Anregung auf und freuen uns auf weitere Diskussionen im Wintersemester.

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