Am 1. Juli fand bei hochsommerlichen Temperaturen im Festsaal der Universität Bonn die erste Deutsch-Französische Zukunftswerkstatt in Präsenz statt. Eine weitere Neuerung war die Perspektiverweiterung nach Osteuropa: Erstmals diskutierten unsere deutschen und französischen Gäste auch mit einer polnischen Expertin.
Unter dem Titel „Gemeinsam für Europa“ ging es um die Frage, welche neuen Impulse Deutschland, Frankreich und Polen im Jahr 2025 für die europäische Zusammenarbeit setzen können. Aufhänger für dieses Thema war einerseits die polnische Ratspräsidentschaft in der EU, die am 30. Juni endete, andererseits der Regierungswechsel in Berlin, der mit neuen Hoffnungen auch für die Kooperationen im sogenannten „Weimarer Dreieck“ aufgeladen worden war. Bereits einen Tag nach seiner Wahl zum Bundeskanzler machte sich Friedrich Merz auf den Weg nach Paris und Warschau. Diese Reisen waren Ausdruck eines deutlichen Bekenntnisses zu Europa und des Wunsches, gemeinsam mit den großen Nachbarn Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu formulieren. Die Veranstaltung wurde wie üblich als Kooperation zwischen dem Centre Ernst Robert Curtius (CERC), der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und dem Institut français (IF) Bonn organisiert. Bei diesem Präsenztermin war außerdem das Gustav Stresemann Institut (GSI) ein weiterer Partner; ebenfalls wurde der Termin von der Deutsch-Französischen Gesellschaft Bonn und Rhein-Sieg und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Köln-Bonn unterstützt.
Moderator Andreas Noll (Deutschlandfunk) diskutierte mit den Gästen Elsa Tulmets (Frankfurt/Oder: Akadameische Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina, assoziierte Wissenschaftlerin am Centre Marc Bloch), Ryszarda Formuszewicz (Berlin: Direktorin des Berliner Büros des Polnischen Instituts für internationale Beziehungen) und Martin Koopmann (Berlin: Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Genshagen) über die aktuellen Herausforderungen. Schwerpunktthemen waren neben Außenpolitik und Verteidigung auch die Entwicklung der Demokratie in Europa sowie die Zukunft der europäischen Integration. Dabei wurde deutlich, dass die Kooperationen im Weimarer Dreieck nach dem Beitritt Polens in die EU im Jahr 2004 für die Regierungen zunächst an Bedeutung verloren haben, obwohl das Format offiziell weiterbesteht und verschiedene Treffen und Institutionalisierungen erfahren hat.
Martin Koopmann konnte davon berichten, wie die Stiftung Genshagen den Austausch auf verschiedenen Ebenen pflegt und sich bemüht, für die Bedeutung eines ständigen Dialogs zu sensibilisieren. Ryszarda Formuszewicz betonte, trotz fortbestehender Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich seien auch nach der Wahl des Präsidenten Karol Nawrocki viele gemeinsame Perspektiven vorhanden, die es weiterzuentwickeln gelte. Polen begrüße insbesondere die deutsche Bereitschaft, noch stärker als bislang in die Verteidigungsfähigkeit des Landes und den Beitrag zur NATO zu investieren. Insbesondere über das Thema Verteidigung wurde ausführlich diskutiert. Elsa Tulmets erinnerte daran, dass auch die Idee einer „kulturellen Verteidigung“ nicht zu kurz kommen dürfe: Jenseits der Regierungsebene sei es insbesondere auch der zivilgesellschaftliche Austausch, der dazu beitragen könne, alte Vorurteile abzubauen und die Konflikte und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemeinsam zu lösen. Zwar klang immer wieder Skepsis durch, ob es angesichts der vielfältigen innenpolitischen Krisen in den drei Ländern in der nächsten Zeit wirklich gelingen könne, größere gemeinsame Ziele in der EU zu realisieren. Doch die vielen regionalen, lokalen oder auch universitären Projekte, die angesprochen wurden, verliehen gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, dass Treffen und Dialog zwischen den Bürgerinnen und Bürgern des Landes eine Veränderung bewirken können. Immer wieder wurde auch der Erfolg der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg als Modell zitiert, an das es anzuknüpfen gelte.
Die Deutsch-Französische Zukunftswerkstatt wurde zu Beginn der Corona-Pandemie als Onlinereihe ins Leben gerufen und wird normalerweise gemeinsam von der KAS, dem IF Bonn und dem CERC organisiert. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, aktuelle Themen, die in Deutschland, Frankreich und Europa politische und gesellschaftliche Relevanz haben, aus deutscher und französischer Perspektive zu diskutieren. In den letzten 5 Jahren ging es um so unterschiedliche Themen wie die Afrika-Politik der EU, US-amerikanische und französische Präsidentschaftswahlen, Umgang mit Desinformation, Kampf gegen Antisemitismus, Künstliche Intelligenz, Protestkultur oder wirtschafts- und klimapolitischen Fragen. Über die Umfrage-Option in Zoom wird das Publikum aktiv in die Diskussion mit einbezogen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Angebots ist, dass mithilfe des Zoom Übersetzungstools eine Simultanverdolmetschung angeboten werden kann, sodass Expert:innen aus Deutschland und Frankreich ohne Sprachbarrieren direkt miteinander ins Gespräch kommen können.