18. September 2025

„Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose.“ (F. Umbach) Nachbericht zum dt./frz. Strategischen Dialog: „Wie resilient ist unsere Energieversorgung?“

Nachbericht zum dt./frz. Strategischen Dialog: „Wie resilient ist unsere Energieversorgung?“

Energieversorgung
Energieversorgung © Pixabay
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Die September-Ausgabe des Deutsch-Französischen Strategischen Dialogs befasste sich am 9.9. ab 18.30 Uhr mit der Frage nach der Resilienz der Energieversorgung in Deutschland, Frankreich und Europa. Wie immer handelte es sich um eine Kooperationsveranstaltung zwischen dem CERC und dem CASSIS (beide Universität Bonn), dem Institut français Bonn sowie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF).

Anlass für die Wahl des Themas waren insbesondere die Stromausfälle in Spanien und Portugal in 2025, deren Ursache nach wie vor nicht vollständig geklärt ist. Müssen wir mit ähnlichen Blackouts auch in Deutschland und Frankreich rechnen, oder funktioniert unsere Energieversorgung anders? Welche Rolle spielt die europäische Kooperation für die Stromnetze? Wird die Versorgung dadurch sicherer oder im Gegenteil fragiler, da im Falle externer Angriffe gleich mehrere Länder betroffen sind?

Christina Schröer (CERC) eröffnete den Abend mit einem kurzen Überblick über aktuelle technologische, wirtschafts- und klimapolitische Debatten, die die Energieversorgung berühren. Außerdem erinnerte sie daran, wie unterschiedlich die Strategien der deutschen und der französischen Regierungen in den letzten Jahren waren, was immer wieder zu Spannungen und Konflikten geführt hat. Zeichnen sich angesichts von wachsendem Bedarf und wachsender Bedrohung neue, gemeinsame Ansätze ab? Auch Europa überarbeitet aktuell seine Energiestrategie.

Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte Andreas Noll (Deutschlandfunk) in bewährter Weise. Als Gäste waren die Volkswissenschaftlerin Murielle Gagnebin (Agora Energiewende), die Politikwissenschaftlerin Sabrina Schulz (EIES/DGAP) und der Politikwissenschaftler Frank Umbach (CASSIS Bonn) eingeladen worden. Schnell wurde die Komplexität des Themas deutlich. Die Expert:innen sparten nicht mit Kritik: So wurde die Energiewende in Deutschland z.B. nicht ausreichend von einem entsprechenden Netzausbau begleitet, um die Volatilität der erneuerbaren Energien aufzufangen. Ebenso wenig ist vielen Menschen bewusst, dass es beim Thema Energiesicherheit nicht nur um Versorgungssicherheit und Strompreise geht, sondern eben vor allem auch um Netzsicherheit und Prävention gegen mögliche Anschläge (Cyberangriffe, Kriegsfall u.ä.). Die kurzfristigen Stromausfälle in Berlin in der letzten Woche zeigen, welche Auswirkungen z.B. Brandanschläge rasch haben können.

Die drei Expert:innen betonten alle, in den kommenden Jahren müsste mehr in die Energiesicherheit investiert werden. Infolge der Digitalisierung und der zunehmenden Bedeutung von KI wird der Strombedarf weiter wachsen, aber Ausbau und Absicherung der Infrastruktur kosten auch Geld. „Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose“ formulierte Frank Umbach an einer Stelle. In der Diskussion um die richtigen Lösungsansätze wurden auch unterschiedliche Positionen erkennbar. Umbach lobte den derzeitigen Kurs der Merz-Regierung, der einen Energiemix und eine größere Technologieoffenheit fördere. Auch Kernkraft dürfte in Deutschland kein Tabu sein, wenn eine europäische Antwort auf die aktuellen Herausforderungen gelingen solle; gerade eine deutsch-französische Annäherung in der Energiepolitik, zumindest im Sinne einer Offenheit für Komplementarität, wäre sehr wünschenswert. Für Sabrina Schulz hingegen liegt die Zukunft in einer konsequenten Elektrifizierung und einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren bei gleichzeitiger Verbesserung der Netze. Auch Gagnebin, die als Französin die nukleare Strategie des Staatspräsidenten Macron gut kennt, wies auf die Probleme der Kernkraft hin und wünschte sich mehr Investitionen in erneuerbare Energien und sichere Infrastrukturen. 

Alle drei Gäste beklagten, dass es de facto keine öffentliche Debatte über diese Fragen gebe und die aktuellen europäischen Regierungen auch in jüngster Zeit noch oft naive Entscheidungen getroffen hätten (z.B. Vergabe von sensibler Technologie von Offshore-Parks an China o.ä.). Außerdem ermahnten die Expert:innen scharf, dass die aktuelle Rohstoff- Abhängigkeit von China (z.B. seltene Erden für E-Motoren und Windkraftanlagen) vermutlich noch gefährlicher einzuschätzen sei als diejenige vom russischem Gas – man mache sich erpressbar. Und unter der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps wird auch der Import von US-Flüssiggas (Liquefied Natural Gas) zu einem schwer kalkulierbaren Risiko. Im Zollstreit der letzten Monate zeigte der Druck der Trump-Administration auf die EU, noch mehr amerikanisches LNG zu importieren, deutlich den amerikanischen Wunsch nach einer Dominanz der europäischen Energiemärkte. Die europäischen Regierungen müssten auf diesem Gebiet mehr investieren, wenn sie die Zukunft selbst mitgestalten wollen. Letztlich geht es um die Frage, wie viel unseren Gesellschaften ihre Sicherheit wert ist.

Im Rahmen von zwei Zuschauerfragen wurde deutlich, dass das Publikum sich der wachsenden Bedrohung der Sicherheit unserer Energienetze durchaus bewusst ist und sich auch mehr deutsch-französische Zusammenarbeit zur Lösung der großen Herausforderungen wünschen würde. Wir werden diese wichtige Debatte gern in weiteren Veranstaltungsformaten fortsetzen und weiterhin insbesondere den deutsch-französischen Expert:innenaustausch fördern!

Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen, die an dieser Veranstaltung teilgenommen haben. Unser nächster Deutsch-Französischer Strategischer Dialog wird am 28. Oktober live in den Räumlichkeiten des Institut français Bonn stattfinden und sich mit der Frage beschäftigen, welche Rolle die Ukraine zukünftig in einem sicheren Europa spielen könnte.

Den entsprechenden Anmeldelink finden Sie auf unserer Website im Veranstaltungskalender. 

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Referent_innen in der Diskussion.jpeg © CERC
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