„Wer Europa will, muss die Grenzregionen im Blick haben“. Mit einem eindringlichen Plädoyer für offene Grenzen in der EU begrüßte Dr. Steinborn von der Deutsch-Französischen Gesellschaft Bonn und Rhein-Sieg e.V. die Interessenten an dem Thema, die sich im Vortragssaal des Centre Ernst-Robert Curtius der Uni Bonn eingefunden hatten. Mit einer Anekdote aus der eigenen Erfahrung untermalte er, dass Grenzregionen anders ticken als die Hauptstädte, nämlich menschlicher und weniger politisch.
Dies stellte Professor Dr. Andreas Schmitt/Hochschule München in seinem Gastvortrag mit dem Titel „Die deutsch-französische Grenzregion aus dem Weltraum – beobachten, wie Europa zusammenwächst“ wissenschaftlich unter Beweis. Die DFG hatte ihn eingeladen, weil er mit einem neuen Verfahren unter Einsatz künstlicher Intelligenz belegen konnte, dass die beiden Nachbarländer in der Folge des Schengener Abkommen besonders schnell zusammenwachsen. Untersucht wurden Satellitendaten zur Siedlungs- und Gewerbeentwicklung der Jahre 1985 bis 2015. Hauptdatenquelle sind europäische (COPERNICUS) und amerikanische (Landsat) Erdbeobachtungssatelliten, aus denen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Jahresrhythmus einen sogenannten „World Settlement Footprint“ entwickelt. In diesem Muster werden Metropolregionen automatisch erkannt. Um deren Zentren werden Siedlungsellipsen gebildet, die anzeigen, in welche Richtung die Region wächst.
Metropolregionen, in welchen die Ellipsen die deutsch-französische Grenze überschreiten, und bei ihrem Wachstum auch Ellipsen kleinerer Zonen „schlucken“, sind Saar-Moselle, Pamina (um Karlsruhe) und Straßburg-Ortenau. Hier spielen die Grenzen bei der Regionalentwicklung keine Rolle mehr: Deutsche siedeln und arbeiten in Frankreich und Franzosen entsprechend in Deutschland. Bild 2 zeigt in schwarz die Siedlungsmaske rund um Saarbrücken und die von 1985 bis 2015 wachsenden Ellipsen (farbig). Würde man die Dynamik der Grenzräume gegenüber dem Kernland berücksichtigen, würden in einem virtuellen Szenario die deutschen Grenzen weit ins Kernland zusammenrücken (Bild 3). Fazit von Prof.Schmitt: Europa wächst zusammen, und zwar an den Grenzen stärker als im grenzfernen Umland; Grenzen sind in der Bebauungsstruktur aus dem Weltraum nicht erkennbar.
Eine angeregte Diskussion dieser für viele noch unbekannten Ergebnisse folgte, die bei einem „Vin d’honneur“, den W.Steinborn von der Grenzmosel mitgebracht hatte, noch lange fortgesetzt wurde.